Schon am Freitag des Australien-GP sorgte Williams für den ersten Aufreger des Wochenendes. Alexander Albon setzte seinen FW46 im ersten Freien Training, wie schon ein Jahr zuvor im Grand Prix, in der Kurvenkombination 6/7 in die Mauer. Der heftige Einschlag bedeutete, dass das Chassis für den Rest des Wochenendes irreparabel war.

Da Willams kein Ersatz-Chassis parat hatte, musste Teamchef James Vowles eine harte Entscheidung treffen. Alexander Albon bekam das Chassis von Teamkollege Logan Sargeant zugeschrieben, der US-Amerikaner musste zuschauen.

Williams in der Winterpause: Excel-Tabelle verursacht Chaos

Der Poker wurde nicht belohnt, Albon verpasste als Elfter knapp die ersten Punkte des Jahres. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, dass Williams in Melbourne kein Ersatz-Chassis vor Ort hatte, lag in einem turbulenten Entwicklungs-Winter begründet. Schon beim Saisonstart hatte Vowles verraten, dass er nach seiner Amtsübernahme im Februar 2023 den Herstellungsprozess des Autos signifikant umgestellt hatte.

Das führte dazu, dass der neue FW46 aus circa zehnmal so vielen Teilen besteht wie sein Vorgänger. Doch Vowles hatte seine Rechnung ohne die veraltete Williams-Kultur gemacht. Zeitgleich zur Umstellung des Herstellungsprozesses stellte das Team auch die digitale Organisation desselbigen um. Williams organisierte diesen bis zuletzt über eine Excel-Tabelle, was Vowles selbst als Witz und nutzlos betitelte. Der 44-Jährige berichtete von kuriosen Situationen, in denen Mitarbeiter nicht wussten, wo sich ein Teil in der Fabrik aufhielt und auf der Suche danach umherwanderten.

Williams-Teamchef James Vowles wurde von den Bedingungen bei Williams überrascht, Foto: LAT Images
Williams-Teamchef James Vowles wurde von den Bedingungen bei Williams überrascht, Foto: LAT Images

Technik-Chef Pat Fry: Will das nie wieder erleben

Auch Technik-Chef Pat Fry, der im November 2023 von Alpine zu Williams stieß, äußerte harte Kritik an den Gegebenheiten bei Williams im Winter: "Ich habe so etwas noch nie gesehen und will das nicht noch einmal erleben." Einziger Lichtblick beim Traditionsteam: Anders als etwa 2019, als Williams die ersten paar Tage der Testfahrten verpasste und die Saison lange hoffnungslos abgeschlagen war, machte sich der scheinbar chaotische Winter im Jahr 2024 bis zum Australien-GP auf der Strecke kaum bemerkbar.

Für Vowles selbst bedeutete das fehlende Ersatz-Chassis in Melbourne ein schmerzhaftes Déjà-vu. Laut eigener Aussage war es das erste Mal seit 2009, dass er ohne ein solches zu einem Grand Prix reiste. Vowles arbeitete damals für das Brawn-Team, dass über den Winter aus dem Honda-Werksteam hervorgegangen und chronisch unterfinanziert war, am Ende der Saison aber dennoch sensationell beide Weltmeister-Titel holte.

Williams auch in Japan ohne Ersatz-Chassis

"Wir haben alles bis zum absoluten Limit gepusht. Und die Konsequenz davon war, dass wir kein Ersatz-Chassis hatten", erklärt Vowles. Die Entwicklungsprobleme endeten in einem Teufelskreis: "Selbst als wir geplant hatten, das dritte Chassis nach Australien zu bringen, wurde es verschoben und verschoben, während andere Teile als Resultat davon weiter nach hinten geschoben wurden", so Vowles.

Der kaputte Williams FW46 von Alex Albon kehrt auf dem Abschlepp-Laster zurück in die Australien-Boxengasse
Der Unfall von Alexander Albon beendete das Wochenende von Logan Sargeant vorzeitig, Foto: Williams F1

Auch der weitere Entwicklungsplan werde ohne Zweifel unter den Vorkommnissen von Melbourne leiden, sagt Vowles weiter. Der langjährige Mercedes-Chefstratege zeigt sich zumindest zuversichtlich, dass beim Japan-GP (07. April) wieder beide Boliden in der Startaufstellung stehen werden. Ein Ersatz-Chassis wird es jedoch erneut nicht geben, sondern frühestens zwei Wochen darauf bei der Rückkehr der Königsklasse nach China.

Trotz Australien-Pleite: Vowles fühlt sich auf seinem Weg bestätigt

Obwohl Vowles das fehlende Ersatz-Chassis in Australien als inakzeptabel bezeichnete, stellt dies für den Briten keinen Rückschlag auf seiner grundsätzlichen Mission in Grove dar. Im Gegenteil: Vowles fühlt sich auf seinem Weg bestärkt, denn: "Der Grund, warum es so weit gekommen ist, ist, dass wir bei allem so weit hinterher sind."

Diesen Gedankengang versuchte Vowles in Australien, auch den Williams-Mitarbeitern näher zu bringen: "Ich versuche, das in der Firma als Stärke zu nutzen, um zu sagen: 'Bitte seht das, was heute passiert ist nicht als Frustration an, sondern als Katalysator dafür, warum wir das zusammen machen müssen, und zwar sehr schnell."

Dass Vowles' Änderungen sich in Kürze bezahlt machen werden, wird mit Sicherheit auch Logan Sargeant hoffen, der seinen Verweis auf die Ersatzbank als härtesten Moment seiner Karriere bezeichnete. Einen langfristigen Effekt auf das Selbstvertrauen des 23-Jährigen befürchtet Vowles indes nicht: "Die Wahrheit bei einem Rennfahrer ist, dass wenn sie sich wieder ins Auto begeben und Logan in Japan innerhalb von Millisekunden im Vergleich zu Alex landet, was er in den letzten paar Rennen gemacht hat, dann werdet ihr sehen, dass das Selbstvertrauen ohnehin zurückkommt."