Heiße Gemüter in der Formel 1. Tatort? Die 26. Runde beim F1-Grand-Prix in Shanghai. Die Safety-Car-Phase wird beendet, das Feld bereitet sich auf die Wiederaufnahme des Rennens vor. Max Verstappen, der in Führung liegt, verlangsamt, um den optimalen Moment für den Restart abzupassen. Dies führt dazu, dass sich das hintere Feld in der Spitzkehre (Kurve 14) eng zusammenschiebt. Lance Stroll achtet, wie die Aufnahmen der On-Board-Kamera beweisen, nicht auf das Auto vor ihm, sondern dreht seinen Kopf in Richtung Scheitelpunkt der Kurve. Dementsprechend kann er nicht mehr reagieren und kracht Daniel Ricciardo mit Überschuss ins Heck.

Ricciardo, der aufgrund von Strolls fatalem Fehler seinen Racing-Bulls-Boliden abstellen musste, war nach dem Rennen sichtlich aufgebracht. Nicht so sehr wegen des Zwischenfalls auf der Rennstrecke als vielmehr wegen Strolls Uneinsichtigkeit im Nachgang des Rennens. Denn ginge es nach dem Aston-Martin-Fahrer, so sei Ricciardo der "Idiot". Er habe zu stark gebremst und dann sei es zu einem Ziehharmonikaeffekt gekommen, wies Stroll nach dem Rennen in China jegliche Schuld von sich.

Richtig dicke Luft in der Formel 1! Ausgerechnet Grinsekatze Daniel Ricciardo tobte nach dem China GP in Shanghai, nachdem ihm Stroll ins Heck gekracht war. Unsere Analyse des Vorfalls im Video:

Ricciardo schimpft auf Stroll: "F*CK that Guy!" (15:32 Min.)

Ricciardo: Schuldeingeständnis von Stroll? Fehlanzeige!

Ricciardo hoffte zu diesem Zeitpunkt noch darauf, dass Stroll später, wenn er die Szene Revue passieren lassen würde, auch die Verantwortung für den Unfall übernehmen würde. "Wenn er das nicht tut, dann kann ich ihm auch nicht mehr helfen, dann kann ihm niemand mehr helfen", äußerte der Australier in klaren Worten. Die erhoffte Einsicht allerdings kam offenbar bis heute nicht.

Am Donnerstag vor dem Miami Grand Prix verlieh Ricciardo seiner Enttäuschung darüber Ausdruck: "Wenn er einfach nur geschrieben hätte 'Tut mir leid, mein Fehler', dann könnte ich eine Entschuldigung akzeptieren. Ich bin nicht so ein A****loch. Aber dass er nicht einmal das gemacht hat, zeigt mir, dass er offensichtlich nicht denkt, dass er etwas falsch gemacht hat."

Aus diesem Grund sei der Australier auch nicht an einem Gespräch mit Stroll interessiert, da er "das Gefühl habe, dass es nirgendwo hinführen wird. Also gibt es nicht viel zu sagen", schloss Ricciardo mit der Sache ab. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, noch einmal zu betonen, wie wichtig es sei, Fehler einzugestehen und Verantwortung zu übernehmen: "Wenn ich einen Fehler mache, jemanden aus dem Rennen nehme - selbst wenn es 50:50 ist - werde ich sagen: 'Vielleicht hätte ich es besser machen können, tut mir Leid, dass ich unseren Tag ruiniert habe.'"

Trotz allem stellte der sonst so muntere 'Honeybadger' klar, dass er keine Feindseligkeit gegenüber Stroll hege: "Wir sind alle Rivalen, ich gehe aber nicht so weit zu sagen, dass er ein Feind ist." Für ihn sei der Vorfall damit abgehakt und er sei darüber hinweg, so Ricciardo.

Stroll: Unglücklicher Vorfall ist Vergangenheit

In diesen Tenor stimmte der in der Pressekonferenz sehr wortkarge Kanadier mit ein: "Das gehört jetzt der Vergangenheit an. Ich konzentriere mich auf dieses Wochenende. Ich möchte nicht sehr ins Detail gehen - es war auf jeden Fall bedauerlich. Ich habe auch versucht, ein gutes Rennen zu fahren und es war ein bedauerliches Ende. Aber jetzt konzentrieren wir uns einfach auf Miami." Von Reue keine Spur. Stattdessen scheint Stroll den Vorfall lieber verdrängen zu wollen.

Aston Martin-Fahrer Lance Stroll in der Boxengasse
Der uneinsichtige Lance Stroll möchte den Auffahrunfall lieber unter den Tisch kehren, Foto: LAT Images

"Das ist nichts für diesen Raum. Diese Dinge werden hinter verschlossenen Türen erledigt", wollte Stroll sich auch auf die Frage, ob es ein klärendes Gespräch zwischen ihm und Ricciardo gegeben habe, nichts entlocken lassen. Die Spannung zwischen den beiden Streithähnen scheint sich jedenfalls bisher nicht gelöst zu haben.

Schuld bei Stroll, Startplatzstrafe für Ricciardo

Noch während des Rennens in China mischten sich die Stewards mit einer eindeutigen Entscheidung in die Kontroverse ein. Sie gaben Ricciardo recht und sahen die Schuld für die Kollision bei Stroll. Deshalb verhängten sie dem Kanadier eine 10-Sekunden-Strafe. Auf sein Rennen wirkte sich diese allerdings nicht aus, weil er dem Feld ohnehin außerhalb der Punkte hinterherfuhr.

Eine ironische Wendung nahm die Geschichte indes, da es Ricciardo mit der Strafe umso härter traf: Auch er bekam eine 10-Sekunden-Strafe aufgebrummt, weil er Nico Hülkenberg unter Safety Car überholte und somit einen klaren Regelverstoß beging. Da er jedoch infolge von Strolls Auffahrunfall das Rennen aufgeben musste, konnte die Zeitstrafe bei ihm nicht mehr angerechnet werden und sie wurde in eine Grid-Strafe für den anstehenden Miami Grand Prix umgerechnet, wo er von drei Plätzen weiter hinten starten muss.

Besonders bitter: Das bestrafte Manöver stand ausgerechnet in direktem Zusammenhang mit der Stroll-Kollision. Denn während der Aston Martin den Racing Bull kurz vor dem Restart erst in die Luft warf und dann von der Strecke schob, konnte Nico Hülkenberg beide Autos, die offensichtlich in ein Problem verstrickt waren, rechtmäßig überholen. Doch Ricciardo, der wegen des Unfalls vor Wut kochte, wollte sich in der folgenden Safety-Car-Phase den Platz gegen Hülkenberg zurückholen. Ohne auf die Freigabe der Rennleitung zu warten, beging er Selbstjustiz und überholte den deutschen Haas-Piloten einfach wieder. Für eine solche Aktion haben die Regelhüter kein Erbarmen.

Daniel Ricciardo, China GP, Formel 1
Große Frustration bei Daniel Ricciardo: Erst abgeräumt von Lance Stroll, dann folgt eine Strafversetzung für den Miami GP, Foto: LAT Images

Obwohl sich Ricciardo den Regelbruch im Nachhinein selbst eingesteht, findet er die Strafe der Stewards nicht gerechtfertigt: "Ich war tatsächlich frustriert über die Versetzung um drei Plätze nach hinten. Ich gebe zu, ich sollte die Regeln besser kennen. Aber sie [die Stewards; Anm. d. Red.] sahen es ziemlich schwarz-weiß, dass Nico nichts falsch gemacht hätte. Für mich waren sie in dieser Hinsicht ein wenig einseitig." So sei es am Ende er gewesen, der "den Preis dafür bezahlt" hat.